Sören war wie Vincent auch in Taipeh und hat sich unseren Fragen gestellt. Danke dir Sören!
Wie lange war dein Erasmus- Semester/Auslandsaufenthalt und wo?
Ich habe fünf Monate lang an der National Taiwan University of Science and Technology in Taipeh studiert.
Hast du dich auf dich in irgendeiner Form vorbereitet?
Natürlich musste ich mir die eine oder andere Tropenimpfung geben lassen. Außerdem wusste ich durch eine Kommilitonin, dass Sonnencreme in Fernost aufgrund des dort vorherrschenden Schönheitsideals häufig mit Bleichmittel versetzt ist. Daher hatte ich einige Tuben aus dem deutschen Drogeriemarkt meines Vertrauens im Gepäck. Dankenswerterweise haben diese den Flug gut überstanden und weder meine Bücher noch meine Klamotten eingekleistert. Ansonsten habe ich das Abenteuer auf mich zukommen lassen.
Gab es bestimmte Kurse oder Lehrveranstaltungen, die dich besonders beeindruckt haben?
Besonders im Gedächtnis sind mir meine beiden Mandarinkurse geblieben. Ich hatte zuvor nie Berührungspunkte mit der Sprache und die Lernerei ist mir in beiden Kursen alles andere als leicht gefallen, aber mal eine Sprache kennenzulernen, die mit unserer weder im Vokabular noch in der Struktur überhaupt etwas zu tun zu haben scheint, war dennoch hochinteressant. Darüber hinaus belegte ich ein Modul mit dem etwas sperrigen Namen “Political Economy of the Korean Peninsula”, das mich in seinen Bann gezogen hatte. Der Professor war ein stellenweise etwas wunderlicher, aber nichtsdestoweniger hochintelligenter und sehr belesener alter Koreaner, der uns haufenweise Anekdoten aus der Nachkriegszeit (also die nach dem Koreakrieg) erzählte und viel mit uns diskutierte. Nicht nur über Süd- und Nordkorea, sondern auch über Taiwan, China, Indien, Japan, Australien, die Vereinigten Staaten und stellenweise sogar über Fidschi, Kuba oder Norwegen. Ich kann mich an kein Modul meiner Hochschullaufbahn erinnern, indem ich mehr gelernt habe.
Wie bist du mit der Sprachbarriere umgegangen? Hast du vorher die Sprache gelernt oder vor Ort?
In meiner jugendlichen Naivität war ich davon ausgegangen, mit Englisch gut zurechtzukommen. Pustekuchen. Leider sprechen selbst viele Taiwanesen unserer Generation nur wenige Fetzen. In Restaurants oder Bars konnte man sich immer gut mit Google Translate helfen, aber für richtige Unterhaltungen war es oft zu wenig. Daher habe ich die meiste Zeit mit anderen Austauschstudenten verbracht. Zum zweiten Teil der Frage: siehe oben.
Gab es kulturelle Unterschiede, die für dich überraschend waren?
Ich war positiv überrascht davon, wie rücksichtsvoll die Menschen miteinander sind. Davon kann sich Deutschland, das Land der in-den-Fahrstuhl-Einsteiger-bevor-die-Leute-ausgestiegen-sind gerne zwei oder drei große Scheiben abschneiden.
Welche Aktivitäten oder Veranstaltungen kannst du empfehlen?
Den atemberaubend schönen Taroko-Nationalpark in Hualien sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. Berge sind für mich als Nordlicht ohnehin beeindruckend, aber Taroko spielt in einer anderen Liga als der olle Harz oder der Schwarzwald. Außerdem: Bahn fahren ist eine wahre Freude. Immer auf die Minute pünktlich und stets sauber. Die Berliner S-Bahn ist dagegen wirklich eine Zumutung. Nicht unbedingt empfehlen kann ich einen Besuch im Fußballstadion, zumindest nicht den Liebhabern des schönen Spiels. Im November habe ich mit ein paar Freunden das Länderspiel Taiwan (bzw. offiziell Chinese Taipei) vs. Malaysia. Ein grottiger Kick, da ist jedes Regionalligaspiel hochklassiger.
Gab es etwas Bestimmtes, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Mitte Oktober nahm ich mit ein paar Freunden an einem Fußballturnier der Uni teil. Mit uns wurde leider direkt im ersten Spiel direkt der Boden gewischt. 0:10. Eine schmerzhafte Niederlage, aber immerhin ging das zweite und letzte Spiel mit 3:0 an uns. Allerdings nur, weil die Gegnermannschaft aufgegeben hatte. Retrospektiv möchte ich diesen Tag dennoch nicht missen, denn wir waren zwar eine schlechte Mannschaft, aber ein tolles Team (wie poetisch).
Welche Herausforderungen gab es für dich?
In der ersten Woche waren definitiv die Essstäbchen meine schwierigste Herausforderung, doch nach recht kurzer Zeit hatte ich dankenswerterweise den Dreh raus. Mittlerweile, so möchte ich behaupten, hantiere ich mit den Stäbchen so sicher wie die Einheimischen. Als ich nach etwa einem Monat Aufenthalt nach einer Mahlzeit merkte, dass ich während des Essens nicht einmal über die Handhabe der Stäbchen nachgedacht, sondern ganz automatisch gegessen hatte, war das ein großer Triumph. Apropos Essen: Die feurige asiatische Küche hat meinen sensiblen Gaumen vor arge Herausforderungen gestellt. Doch ich habe es überstanden, leicht war das nicht.
Würdest du dein Auslandssemester so nochmal machen? Ich bin mit der Entscheidung Taiwan sehr glücklich. Es war das richtige Land zur richtigen Zeit. Ein weiteres Auslandssemester würde ich jedoch woanders machen, um etwas wiederum Neues kennenzulernen. Ein Auslandssemester in Taiwan kann ich jedem guten Gewissens ans Herz legen, idealerweise ist man schärferesistent.
Bonus: Gibt es sonst noch etwas Besonderes, das du sagen/zeigen willst?
Am Ende des Semesters war mein Chinesisch so weit gediehen, dass ich mir im Restaurant etwas bestellen konnte, ohne auf Übersetzungsdienste zurückzugreifen. Darauf bin ich über alle Maßen stolz und möchte bei jeder Gelegenheit damit angeben, so auch hier.
Genug Tastaturgymnastik!
Liebe Grüße 🙂