NWP-Abroad #3 Vincent

Diese Woche erzählt uns Vincent über sein Studium und seine Erfahrungen in Taiwan.

Hey Vincent! Wie lange warst du im Ausland und wo?

Ich war für fünf Monate in Taiwan und habe in der Hauptstadt Taipeh gelebt.

Dort habe ich an der National Taiwan University of Science and Technology studiert.

 

Hast du dich in irgendeiner Form vorbereitet?

Natürlich gibt es im Vorfeld eines Auslandssemesters einige Dinge, um die man sich kümmern muss. In meinem Fall ging es hauptsächlich um bürokratische Angelegenheiten wie die Beantragung eines Visums oder die Organisation eines Tuberkulose-Attests, das erforderlich war, um überhaupt in das Land einreisen zu dürfen. Zwischenzeitlich kann einem all das etwas zu Kopf steigen, insbesondere wenn die Sorge besteht, etwas Wichtiges zu vergessen. Man muss daher versuchen, den Überblick zu behalten und sich rechtzeitig um wichtige Dinge zu kümmern, wie beispielsweise um eine Unterkunft vor Ort. Im Nachhinein muss ich jedoch klar sagen, dass der bürokratische und organisatorische Aufwand relativ überschaubar war.

 

Gab es bestimmte Kurse oder Lehrveranstaltungen, die dich besonders beeindruckt haben?

Ein Kurs ist mir besonders positiv in Erinnerung geblieben.

Dieser hieß „Political Economy in Korean Peninsula” und beschäftigte sich (wie der Name vermuten lässt) mit den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Merkmalen und Unterschiede der Länder Nord- und Südkorea.

Mein Professor war ein überaus sympathischer älterer Herr aus Südkorea, der bereits in vielen Ländern Asiens gelehrt und einst für die südkoreanische Regierung gearbeitet hat. Es war eine einzige Freude den vielen Geschichten und Anekdoten dieses Mannes zuzuhören und es half mir in der Tat dabei, ein deutlich besseres Verständnis von der koreanischen Gesellschaft und Kultur zu bekommen.

Doch nicht nur habe ich viel über die koreanische Halbinsel gelernt, sondern auch über Asien im Allgemeinen und die verschiedenen Länder, ihre gegenseitigen Beziehungen und die Konflikte, die sich bis heute aus ihrer Geschichte ergeben.

Das war mit Abstand der Kurs, der mir am meisten neues Wissen vermittelt und mir dabei geholfen hat, die politischen Geschehnisse und Konflikte in dieser Weltregion besser einordnen zu können.

Wie bist du mit der Sprachbarriere umgegangen? Hast du vorher die Sprache gelernt oder vor Ort?

Nein, im Vorfeld habe ich die Sprache nicht gelernt. Jedoch habe ich vor Ort einen Mandarin-Kurs an der Uni belegt. Das hat zwar nicht dafür gereicht, mich vernünftig mit Taiwanesen auf Mandarin zu verständigen, aber wenigstens war die ein oder andere Bestellung im Restaurant im Rahmen meiner sprachlichen Fähigkeiten möglich. Mit den meisten jüngeren Taiwanesen konnte man sich gut auf Englisch verständigen. Bei der älteren Bevölkerung sah das etwas anders aus. Allerdings war es in den meisten Fällen kein Problem, sich mit anderen auf der Straße zu verständigen. Die Sprachbarriere sollte einen in Zeiten von Google Übersetzer und Co. also nicht mehr davon abhalten, in egal welches Land zu reisen (außer nach China vielleicht).

 

Gab es kulturelle Unterschiede, die für dich überraschend waren?

Tatsächlich gibt es einen kulturellen Unterschied, bei dem ich im Vorfeld selbst nicht damit gerechnet hätte, dass das für mich so ein relevantes Thema in Taiwan werden wird. Die Rede ist von Brot.

Deutschland ist weltweit bekannt für sein Brot und seine Vielfalt an Bäckereien, die eine breite Auswahl an Brotsorten bieten. Als jemand, der in Deutschland aufgewachsen ist, war das für mich nie ein besonderes Thema. Ehrlich gesagt war mir nicht bewusst, dass dies offensichtlich eher typisch deutsch ist und dass es selbst in einigen unserer europäischen Nachbarländer nicht annähernd diese Brotkultur wie in Deutschland gibt. Erst als ich nach Taiwan kam, wurde mir klar, wie es ist, nicht mehr mit gutem Brot versorgt zu sein. In Taiwan besteht die Auswahl an Backwaren hauptsächlich aus weißem Toastbrot, oft mit süßen Aufstrichen kombiniert. Selbst bei herzhaften Backwaren wird oft dieses süße Weißbrot verwendet.

Dass diese Art von Brot eines der ungesündesten Lebensmittel ist, die man sich als Frühstück auf den Teller packen kann, habe ich schon in der Grundschule gelernt.

Obwohl es mich selbst überrascht hat, muss ich zugeben: Was ich während meiner Zeit in Taiwan fast am meisten vermisst habe, war eine klassische deutsche Bäckerei, in der ich mir ein gutes Brot holen konnte. Und ich war nicht der Einzige, dem es so erging.

Welche Aktivitäten oder Veranstaltungen kannst du Empfehlen?

Taiwan ist eine vergleichsweise kleine Insel, die aber einiges zu bieten hat.

Städte, Meer, Nationalparks und Berge. Man kann sehr viele Outdoor-Aktivitäten machen wie wandern oder schwimmen gehen. Daher habe ich viele der Wochenenden damit verbracht, in andere Teile des Landes zu fahren und in diese Regionen kennenzulernen. Im gesamten Land ist der öffentliche Nahverkehr sehr gut ausgebaut. Die High Speed Rail ermöglicht es beispielsweise, innerhalb von etwa anderthalb Stunden vom äußersten Norden bis in den Süden zu gelangen.

Wenn man also in Taiwan ist, sollte man versuchen, so viel es geht im Land selbst rumzureisen, denn die Wege sind relativ kurz.

Gab es ein etwas Bestimmtes, dass dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ganz besonders in Erinnerungen bleiben wird mir die außergewöhnliche Herzlichkeit und Gastfreundschaft, mit denen die Taiwanesen mir begegnet sind.

Ich als Gast in deren Land wurde immer sehr gut behandelt und man hat sich stets große Mühe gegeben, dass es mir so gut wie möglich geht. Jeder Taiwanese war sehr zuvorkommend und hat versucht mir zu helfen, auch wenn sie mein Englisch nicht verstanden haben.

In den Gesprächen mit Taiwanesen ist mir ganz besonders aufgefallen, wie interessiert sie an einem sind. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass ich dort mehr über mich und meine Lebensrealität in Deutschland erzähle, als dass ich dies von Taiwanesen erzählt bekomme. Und eigentlich wollte ich es doch andersherum haben J.

 

Würdest du dein Auslandssemester so nochmal machen?

Ja, auf jeden Fall!

Wer überlegt, ein Auslandssemester zu machen und (so wie ich) vorher vielleicht noch nie den europäischen Kontinent verlassen hat, sollte Taiwan unbedingt in Betracht ziehen. Es ist einerseits ein sehr entwickeltes, westlich-orientiertes Land und andererseits sehr stark durch chinesische Traditionen geprägt. In Kombination mit dem leckeren Essen, den tollen Menschen und der wunderschönen Natur bildet Taiwan die beste Grundlage für eine einmalige Lebenserfahrung.