Es sind nicht einmal 48h Stunden nach dem Tod von Jina Amini vergangen, als im Iran die größte Protestwelle entflammt ist, die das Land gesehen hat.
Mahsa Jina Amini war eine junge Kurdin, die massive Gewalt von der sogenannten Sittenpolizei erfahren hat, sodass sie in Folge ihrer Verletzungen verstorben ist. Der Grund für ihre Verhaftung: sie hätte ihren Hidschāb nicht vernünftig getragen.
Was sind die Gründe für die landesweiten Proteste?
Diese Frage und vieles mehr haben wir mit unserem Gast Arian Darat beim vergangenen Netzwerkabend diskutiert.
Arian Darat ist Pressesprecher der Iranischen Gemeinde Deutschland (IGD), welche die Interessen der in Deutschland lebenden Iraner*innen auf unterschiedliche Ebenen vertritt und gesellschaftliche Partizipation ermöglicht. Die IGD ist unabhängig, überparteilich und säkular organisiert.
Wir sprachen zunächst über die Situation im Iran vor den aktuellen Protesten.
- Iran ist nach Russland das meistsanktionierte Land der Welt
- Im Land herrscht eine sehr hohe Inflation und ohne ausreichende Lohnsteigerungen, um die Bevölkerung zu entlasten. Die iranische Mittelschicht ist zusammengebrochen und 40% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
- Iran ist ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichen Sprachen aber die meisten Volksgruppen wie die Kurden und Belutschen werden systematisch vom iranischen Regime unterdrückt.
- Weltweit gibt es eine große iranstämmige Diaspora aufgrund von Repression und Verfolgung.
Auch wurden die deutsch-iranischen Beziehungen thematisiert. Europaweit ist Deutschland mit Abstand der größte Handelspartner der Islamischen Republik und pflegt wirtschaftliche Beziehungen mit dem Land seit über 40 Jahren. Insbesondere in Deutschland hat das Mullah-Regime ein großes Spionagenetzwerk über die Jahre aufgebaut, um gegen politischen Gegner*innen in der Diaspora vorzugehen. Sie dient auch dazu, Angst innerhalb der Diaspora zu schüren und jegliche anti-Regime Aktionen zu unterbinden.
Sehen wir im Iran gerade eine feministische Revolution entflammen?
Noch nie zu vor in der Geschichte Irans haben sich Menschen aus allen Klassenschichten, und Generationen sich dermaßen organisiert und ihre Differenzen beiseitegelegt. Ihr zentrales Ziel ist es, die jahrelange Unterdrückung durch die Führungseliten zu beenden und eine neues demokratisch sowie säkulares Iran aufzubauen. Und das alles trotz Verhaftungen und massiver Gewalt den ihnen droht, denn die Protestierenden sind mutig. Sie sind hoffnungslos und sehen für sich keine Zukunft unter dem Fortbestehen dieses Regimes mehr. Sie sind voller Wut, weil sie seit über 40 Jahren kein Gehör finden in der Führungselite des Landes.
„Sie haben Mut für Veränderung, denn sie haben nichts mehr zu verlieren.“
Wir unterstützen die zentralen Forderungen der Protestierenden und hoffen auf eine erfolgreiche Revolution für alle Völker des Irans. Jin, Jiyan, Azadî *.
* Jin, Jiyan, Azadî (Frau, Leben, Freiheit) ist ein politischer Slogan, der ihren Uhrsprung in der kurdischen Frauenbewegung hat und die Bedeutung von Frauen hervorhebt.